Unsere eigene Freude verhindern?

Wieso sollte man das tun?

Freude ist doch ein schönes Gefühl, das wir alle haben wollen!

Oder etwa nicht?

Der Blick auf die Freude ist manchmal klein.
Ein Stückchen Himmel, aufgenommen beim Aufstieg zur Kuppel der Peterskirche in Rom

Die Vergangenheit wirkt auf unseren Alltag

Im Teil 1 dieser Serie erklärte ich dir bereits, wieso Freude zu spüren schwieriger sein kann, als man denkt.

Es kann z.B. Erlebnisse aus unserer Vergangenheit geben haben, die uns noch heute den freien Fluss der Freude erschweren.

Oder wir haben immer noch alte Glaubenssätze implementiert, die der Freude entgegensteuern, wie zum Beispiel „Ich bin nichts wert“ (und damit habe ich auch nicht genug Wert um Freude verdient zu haben).

Unser Unterbewusstsein ist am Werk

Wenn wir in uns (unbewusste) Programme wie „Du darfst dich nicht freuen“ oder „Du hast keine Freude verdient“ laufen haben, dann werden wir in unserem Alltag (unbewusst) viel dafür tun, um die Freude zu verhindern.

Natürlich machen wir das nicht absichtlich, oft nicht einmal wissentlich.

Für unser System machte es früher Sinn, die Freude nicht zu zeigen oder nicht erst aufkommen zu lassen. Es kann sein, dass diese Muster heute für uns keinen Mehrwert mehr haben. Trotzdem verharrt unser System (unbewusst) immer noch in der Vergangenheit.

Das ist auch ein Grund, warum rasche Änderungen oft nicht zu erreichen sind. Unser System muss sich erst sicher fühlen, bevor es alte Muster aufgeben kann. Das braucht Zeit, Übung und oft auch professionelle Begleitung.

Eigene Muster zu entdecken kann kniffelig sein

Wir leben unsere antrainierten Muster tagtäglich, oft über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg.

Daher kann es ganz schön kniffelig sein, diese zu identifizieren.

Viele Muster sind nämlich für unser Unbewusstsein völlig logisch, für uns aber nicht. Dadurch können wir sie oft nicht erkennen.

Außerdem fühlen sich unsere Muster für uns ganz normal an. Wir kennen in uns nichts anders. Daher fällt die Selbstreflexion schwer.

Es braucht Input von Außen

Um unsere Freude-Hemmer identifizieren zu können, kann es daher notwendig sein, Input von außerhalb unseres eigenen Systems zu bekommen.

Daher werde ich dir in diesem Artikel zahlreiche Beispiele zur Verfügung stellen, wie man seine Freude im ganz normalen Alltag boykottieren kann.

Viele dieser Beispiele sind aus meinem eigenen Leben. Während ich das schreibe bemerke ich, dass meine toxische Scham ein bisschen aufflackert (Was sollen die Menschen denken, wenn sie lesen, was ich alles getan habe, und vielleicht immer noch tue, um meine Freude zu boykottieren?)

Aber es war bzw. ist wie es ist und wir sind alle auf dem Weg.

Für mich zählt, dass du ein paar Inspirationen bekommst, um vielleicht das eine oder andere deiner persönlichen Freude-Verhinderungs-Muster aufzudecken.

Bewusstsein ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.
Bewusstsein ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.

Freudvolle Zusammenarbeit:

Diese Freude Serie entstand in freudvoller Zusammenarbeit mit Claudia Münstermann, Coach in Aachen bzw. online und spezialisiert auf emotionales Essen.

Die Fotos zur Freude-Serie stammen aus dem Archiv meines Verlobten Manfred Helmer. Diesmal gibt es Einblicke in unsere Rom Reise von November 2019.

Anmerkung:

In dieser Freude-Serie geht es nicht um Depressionen.

Freuden-Hindernisse des Alltags

Zeitmangel hemmt die (Vor)Freude

Es kann sein, dass wir unseren Tag unbewusst sehr voll packen, sodass es keinen Raum gibt, die Freude zu spüren.

Sollte der Tag nicht voll gepackt sein, kann es vorkommen, dass wir den Zeitmangel provozieren.

Was meine ich damit?

Hier ein Beispiel aus meinem (früheren) Alltag:

Ich hatte ein Treffen mit einer sehr lieben Freundin vereinbart und wusste, dass ich zu einer bestimmten Uhrzeit losgehen musste, um pünktlich zu kommen.

Plötzlich fiel mir ein, dass ich noch rasch eine Mail schreiben musste, rasch noch die Wäsche aufhängen, rasch noch … oder ich verlor mich in den sozialen Medien und übersah die Zeit.

Letztendlich ging ich zu spät weg und musste sehr hetzen, um halbwegs pünktlich zu sein. Am Weg schrieb ich noch hektisch eine SMS „Sorry, ein paar Minuten zu spät.“

Ich gab mir also weder Möglichkeit, die Vorfreude zu genießen noch mich in Ruhe auf das schöne Treffen einzustimmen.

Stattdessen war ich außer Atem, mir war heiß als ich zum Treffpunkt kam. Zusätzlich schlug ich mich mit meinem Schuldgefühl herum, weil ich meine Freundin warten ließ.

Aufgrund meines Stresses brauchte ich einige Zeit, bis ich nicht nur körperlich sondern auch geistig bei dem Treffen ankommen konnte.

Um Freude spüren zu können, braucht es Pausen.
Eindrücke setzen lassen bei einer Pause in Rom.

Fehlende Übergänge erschweren das Spüren der Freude

Wir bleiben beim obigen Beispiel, beim Treffen mit einer lieben Freundin.

Wir verbrachten einen wunderbaren Abend miteinander.

Wie sah der Übergang nach diesem Treffen aus?

Ich kenne viele Menschen (mir früher inklusive) die sofort nach einem Treffen das Smartphone zücken und erstmal checken, was in den sozialen Medien so los ist. Vielleicht gleich mal ein Foto vom tollen Treffen posten. Oder schnell mal jemanden anrufen. Oder das Hörbuch weiter hören, oder …

Dieses Verhalten bedeutet, dass man von einer Begegnung in die nächste fällt, ohne sich dazwischen Gelegenheit zu geben, den angenehmen Gefühlen – der Freude – nachzuspüren.

Eine andere Spielart ist, sich die Termine dermaßen knapp zu legen, dass man von einem Termin zum nächsten hetzen muss, ohne sich ein paar Minuten der nach-Freude zu gönnen.

Weitere Beispiele:

Ich bekam per Mail eine sehr schöne Rückmeldung einer Klientin. Statt die Freude richtig schön nachwirken zu lassen und die Mail vielleicht in Ruhe ein zweites Mal zu lesen, machte ich mich gleich daran, die anderen Mails zu checken.

Während meiner Studienzeit freute ich mich nur sehr kurz über eine bestandene Prüfung. Denn eine bestandene Prüfung hieß, dass ab nun für die nächste gelernt werden musste.

Vorfreude ist eine wichtige Freude
Gleich gibt´s Pizza – VorFREUDE!

Unachtsamkeit übersieht die Freude

Wenn ich etwas Schönes erlebe und mit den Gedanken ganz woanders bin, kann ich das Schöne nicht spüren.

Ein Beispiel: Ich liebe es eine Tasse guten Espresso zu trinken.

Wenn ich während dessen telefoniere, den Espresso also nebenbei in mich hinein kippe, bekomme ich nichts von der Geschmacks-Freude mit.

Wenn meine Gedanken überall sonst sind, nur nicht bei meiner Tasse Espresso, kann ich ihn auch nicht freudig genießen.

Schöne, freudvolle Dinge zu sehen braucht Achtsamkeit
Bella Italia

Reizüberflutung betäubt die Freude

Wenn man zu viel des Schönen erlebt, kann man die Schönheit nicht mehr genießen.

Ein Beispiel dafür sind Reisen:

Wenn ich von A nach B hetze um alle Sehenswürdigkeiten abhaken zu können, kann ich den Flair der fremden Stadt nicht genießen.

Ich kann am Ende keine Eindrücke mehr aufnehmen, da meine Sinne überladen sind. Die Freude bleibt auf der Strecke.

Die Natur trägt viel zur Freude bei.
Waldluft inmitten der Großstadt macht Freude.

Kontrolle macht es der Freude schwer

Kontrolle kann es der Freude ganz schön schwer machen.

Hier wieder ein Beispiel aus meiner Vergangenheit:

Ich verbrachte während meines Studiums 9 Monate in Südafrika. Ich fühlte mich dort oft einsam und verloren.

Daher malte ich meine Rückkunft farbenfroh und in allen Einzelheiten aus:

Alle Freunde würden am Flughafen sein und mich überschwänglich begrüßen. Wie toll! Diese Vorfreude half mir über viele traurige Stunden hinweg.

Dann kam ich in Wien am Flughafen an.

Es waren tatsächlich viele Menschen da, um mich abzuholen.

Doch anders als in meinen Tagträumen brachte mir M. nicht meine Lieblingssüßigkeit mit.
A. lief nicht glücklich auf mich zu, sondern hielt sich im Hintergrund.
D. wirkte gelangweilt und verabschiedete sich bereits nach wenigen Minuten.

Obwohl tatsächlich viele Menschen kamen, fühlte es sich völlig anders an als in meinen Tagträumen.

Ich war nur noch enttäuscht. Freude adé.

Meine zuvor detailliert ausgeschmückten Tagträume waren starr vorausgeplant. Es mangelte darin an Offenheit und Flexibilität. Ich konnte nicht annehmen, was mir tatsächlich entgegengebracht wurde und konnte daher das Gute daran nicht erkennen.

Außerdem war ich damals nicht mit mir verbunden, daher entsprachen auch meine Wünsche nicht meinen wahren Bedürfnissen.

Heute weiß ich, dass ich unbewusst glaubte, dass wenn mich möglichst viele Leute abholten, würde das meinen Wert heben.

viele Menschen kommen um MICH abzuholen = alle sehen wie lieb ich gehabt werde

In Wirklichkeit war ich von der Menge an Menschen überfordert, ich war übernachtig, ich fühlte mich unsicher und taxiert.

Ich wollte mein bestes, strahlenstes Ich präsentieren. Alle sollten bemerken, wie toll ich aussah und alle sollten sagen, wie sehr sie mich vermisst hatten.

Tat aber niemand.

Vorfreude-Fantasien können sehr hilfreich sind, um uns über schwierige Zeiten hinwegzutrösten. Gefährlich werden sie, wenn sie mit der Realität zusammenkrachen und uns immer wieder enttäuscht zurück lassen.

Ausblick von oben macht Freude.
Die Aussicht von oben erfreut mich.

Vergleiche sind ein Freude-Killer

Wenn wir danach suchen, wird es immer jemanden geben, die oder der etwas Schöneres oder Besseres hat als wir, oder etwas besser kann.

(= Neidgefühle)

Gleichzeitig lässt sich auch immer jemand finden, dem oder der es schlechter geht als uns.

(= Schuldgefühle)

Wenn man dazu neigt, seinen Wert danach zu bemessen, wie die anderen im Vergleich sind, tut man das „gerne“ just nach einem freudvollen Moment.

Die sozialen Medien machen es leicht, uns mit anderen zu vergleichen.

Beispiele:

Ich bekam eine positive Rezension. Die Freude gönnte ich mir nicht lange, denn sogleich interessierte ich mich für die Rezensionen der anderen Bücher auf dem Markt.

Ich leistete mir einen richtig schönen, sehr teuren Tisch. Vor dem Kauf überlegte ich lange und prüfte, ob mein inneres Gefühl stimmig war. War es. Dennoch währte die Freude nicht lange. Mein schlechtes Gewissen meldete sich: „Bist du wahnsinnig so viel Geld für einen Tisch aufzugeben? Damit könnte eine afrikanische Familie lange Zeit überleben!“

Es sind die Kleinigkeiten im Leben, die unsere Freude vergrößern.
In Wien ist bereits Winterjacken-Wetter, in Rom noch nicht – FREUDE!

Die geteilte Freude vermehrt sich nicht immer

Ich hatte früher das Muster, dass ich meine Freude sofort teilen musste. Heute glaube ich, dass ich mir nicht erlauben konnte, ein schönes Gefühl zu genießen. Ich hatte fast schon den Drang es sofort wieder weg zu geben.

Doch geteilte Freude vermehrt sich nur, wenn die andere Person sich mitfreut.

Wenn sie meine Freude nicht nachvollziehen kann oder der Zeitpunkt nicht passt, kann es sein, dass sich meine Freude trübt.

Ein Beispiel:

Am Anfang meiner Berufskarriere kam ich in der Früh voller Energie ins Büro und schwärmte der Empfangsdame über die herrlichen Frühlingsblumen auf meinem Arbeitsweg vor. Ich konnte sofort sehen, wie genervt sie davon war. Es war einfach der falsche Zeitpunkt, vielleicht auch die falsche Person, mit der ich meine Freude teilen wollte.

Genüsse machen Freude
Suchbild: Wo sind ich und mein Verlobter?

Der Fokus auf das Negative verstellt den Blick auf die Freude

Manchmal konzentrieren wir uns auf das berühmte Haar in der Suppe, statt die Suppe zu genießen.

Wir ärgern uns aus Gewohnheit über Banalitäten und verstellen uns so den Blick auf die Freuden des Lebens.

Wenn man das mehrmals täglich tut, können wir viele freudvolle Momente übersehen.

Ich erinnere mich, dass ich früher, wenn man mich fragte: „Wie war dein Urlaub?“ antwortete: „Ja, eh ganz schön. Nur die Anreise war so furchtbar mühsam. Und im ersten Hotel konntest du das Essen wirklich vergessen. Ja und leider regnete es am dritten Tag in strömen, da konnten wir keinen Ausflug machen …“

Ich glaube heute, dass ich das tat, weil ich mir echte Freude nicht erlauben konnte, aber dennoch Emotionen haben wollte. Vielleicht blieben deshalb vor allem diese kleinen Ärgernisse hängen in meinen Gedächtnis, all das Schöne hatte deutlich weniger Gewicht.

Auch Regen kann freudvolle Momente erschaffen.
Rom im Regen ergibt interessante Foto-Stimmungen.

Alte Glaubenssätze boykottieren die Freude

Hier noch ein Beispiel aus meiner Vergangenheit:

Ich kaufte ein paar sehr schöne, sehr teure Schuhe. Im Geschäft war ich höchst verliebt in sie. Sie waren schick, bequem und auch noch praktisch. Vor dem Kauf schaltete ich sogar noch meine Vernunft ein und überlegte, ob diese Schuhe zu den meisten meiner Outfits passten. Also alles richtig gemacht! Ein super Kauf!

Ich verließ das Geschäft und in diesem Moment überkam mich ein alter Glaubenssatz: „Du siehst du aus wie ein Idiot!“ Solcherart Glaubenssätze überfielen mich gerne dann, wenn es um Mode ging.

Damit war die Freude vorbei und ich fühlte mich schrecklich verwirrt und unfähig.

(glücklicherweise konnte ich diese Situation mit Hilfe einer lieben Freudin lösen und mich dann einen Tag später noch so richtig über diese schönen Schuhe freuen)

Noch mehr über meine Muster kannst du in meinem Buch „Essanfälle adé“ erfahren.

Krasse Zufälle genau nach der Freude

Zum Abschluss hier noch ein ziemlich krasses Beispiel, wie man sich selbst die Freude verderben kann.

Man könnte auch sagen, dass das Zufall war. Aber für mich fühlte es sich nicht nach Zufall an:

Ich traf mich mit einer Freundin und wir verlebten gemeinsam einen wunderbaren, entspannten Nachmittag. Das Wetter war herrlich und wir ließen uns durch die Stadt treiben. Es ging mir rundherum gut, ich fühlte mich wertgeschätzt und geliebt.

Nach dem Treffen hörte ich (nach damaliger alter Gewohnheit) übergangslos mein Hörbuch weiter.

Ich hatte die kurze Eingebung „Eigentlich war das ein voll schöner Nachmittag, wieso kannst du dir die Freude nicht gönnen und ihr nachspüren?“

und

… zack …

plötzlich war meine Zehe unter einem Autoreifen eines vorbeifahrenden Autos, das ich übersehen hatte. Glücklicherweise ist bis auf einen riesen Bluterguss und einem kaputten Schuh nichts passiert.

Für mich war das ein starker Weckruf auf meinem Weg zur Freude.

Das Ereignis brachte mich dazu, einige Gewohnheiten, die ich zuvor bereits hinterfragt hatte, tatsächlich zu verändern. Zum Beispiel schränkte ich meinen Handy-Konsum stark ein. Wenn du mehr darüber lesen willst, ich habe dazu diesen Blog-Artikel geschrieben.

Hinter jeder Ecke kann sich Freude verstecken, man muss nur hinsehen.
Diese alten Fiats finde ich sehr schnuckelig, ich freue mich, wenn ich sie sehe.

Wie verhinderst du deine Freude?

Nun habe ich dir einiges darüber erzählt, wie man im Alltag seine eigene Freude boykottieren kann.

Ich bin mir sicher, dass es noch zahlreiche andere Spielarten gibt.

Daher würde mich interessieren:

  • Kannst du dich da in einigem wiedererkennen?
  • Wie hinderst du deiner Freude?
  • Magst du von ein paar Beispielen bereichten?

Ich freue mich auf deine Kommentare!

Diese Freude-Serie geht weiter!

Nun haben wir uns damit beschäftigt, was unsere Freude verhindern oder boykottieren kann.

In den nächsten Artikeln wird es darum gehen, was unsere Freude fördert.

Teil 1: Freude spüren: Wieso das schwieriger ist, als man denkt

(Teil 2: Wie wir im Alltag unsere Freude verhindern)

Teil 3: Freude spüren – Die Recherche

Teil 4: Übergangsrituale für den Alltag

Teil 5: Das Freude Etikett

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