Freude ist etwas Schönes. Wir alle wollen sie haben.

Da müsste es doch einfach sein, Freude zu spüren?

Weit gefehlt!

Freude zu spüren oder sie überhaupt in unser Leben zu lassen, kann sehr herausfordernd sein!

Wieso das so ist, liest du in diesem Artikel.

Freude spüren lernen

Hinweis:

In diesem Artikel wird es nicht um die Depression als Hinderungsgrund für Freude gehen.

Danke

Bevor ich beginne, möchte ich meine Freude über die Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Claudia Münstermann ausdrücken:

Es war eine Freude, für diesen Blog-Artikel miteinander die vielen Aspekte der Freude zu reflektieren. Claudia arbeitet als körperorientierter Coach in Aachen und auch über Videotelefonie. Ihr Fachgebiet ist unter anderem das emotionale Essen.

Und wenn wir schon bei der Freude sind: Ich freue mich sehr, dass ich auch für diesen Blog-Artikel wieder auf das wunderbare Foto-Archiv meines Mannes zugreifen durfte. Danke dir dafür!

Die Katze erfreut sich an den Blumen.

Wie fühlt sich Freude an?

Wozu diese Frage?

Ist doch logisch, wie sich Freude anfühlt!

Freude ist super.

Freude ist toll.

Freude macht Freude.

Wenn man sich freut lacht man, hüpft herum, klatscht vielleicht in Hände.

Mein Kopf kannte Freude, doch mein Herz war davon abgeschnitten

Als ich in meinen 20ern bemühte ich mich, nach außen hin ständig ein freudvolles Gesicht zu zeigen. Ich bemühte mich so sehr, dass ich gar nicht mehr spüren konnte, was ich eigentlich wirklich empfand.

Klar wusste ich, was Freude bedeutete.

Hätte es damals bereits Smartphones gegeben, ich hätte viele glückliche Selfies gemacht und die Welt an meinen wunderbaren Momenten teilhaben lassen.

Die Figuren im Wiener Prater machen Freude.
Auf Besuch im Wiener Wurstelprater

Die Wahrheit aber war, dass ich zwischen hohen Hochs und tiefen Tiefs hin und her schleuderte.

In ruhigeren Phasen machte sich oft in mir ein dumpfes Gefühl breit, wie in Watte gepackt. Es war, als ob eine Glaswand zwischen mir und meinen Gefühlen gestanden hätte. Irgenwie war eine Leitung unterbrochen. Heute weiß ich, dass das eine Form der Dissoziation war.

Ich kannte Euphorie, aber das Gefühl von ruhiger, stetiger Herzensfreude war mir nicht vertraut.

Im Grunde meines Herzens war ich tief traurig.

Damals hatte ich noch nicht die Möglichkeit, mich diesem Gefühl zuzuwenden. Daher war es sicherer für mich, diese Trauer wegzudrücken und stattdessen die Happy-Face-Maske aufzusetzen.

Ich konnte meine Gefühle nicht regulieren. Daher brauchte ich damals das emotionale Essen als meinen Rettungsanker.

Mehr über meine persönliche Geschichte kannst du in meinem Buch „Essanfälle adé“ nachlesen.

Wieso ist Freude wichtig?

Freude ist eine der wichtigsten Kraft-Ressourcen, die wir haben.

Sie ist Nahrung auf der emotionalen Ebene, Nahrung für unsere Seele.

Wenn wir Freude in unserem Körper spüren können, brauchen wir weniger Substitute, wie beispielsweise Alkohol oder Zuckerspeisen, um uns in Hochstimmung zu bringen.

Wieso kann es schwierig sein, (Herzens-) Freude zu empfinden?

Ich dachte früher immer, Freude spüren sei einfach.

Schließlich ist sie ein schönes Gefühl.

Ich hatte keine diagnostizierte Depression, dennoch wollte mir Herzensfreude nicht gelingen.

Zunächst schob ich das auf meine Essstörung: Ich dachte, wenn ich mich ständig zu dick fühlte und mich mein Leben ankotzte, konnte ich nicht fröhlich sein!

Doch auch als meine Essstörung vorbei war, war die Verbindung zur Freude immer noch unterbrochen.

Zwar war mein Leben grundsätzlich in Ordnung und es gab viele schöne Momente.

Aber da war immer noch dieses Fehlen an Leichtigkeit.

Wo war sie? Wo hatte sie sich versteckt?

Luftballone erfreuen.

Meine Reise zur Freude dauerte einige Jahre und ich reise immer noch weiter.

Ich musste sehr tief graben, um Antworten zu finden.

Nun rückblickend, kann ich einiges darüber berichten. Von mir selbst und auch von den KlientInnen, die ich auf diesem Weg begleiten durfte.

Abkapseln von Gefühlen inkludiert die Freude

Viele tragen Gefühle in sich, die sie nicht spüren können oder wollen.

Beispielsweise tiefe Einsamkeit, tiefe Traurigkeit, ein Gefühl der Sinnlosigkeit, des Ungewolltseins.

Es scheint nur natürlich, solcherlei Gefühle nicht spüren zu wollen, also spalten wir sie von uns ab.

Doch ein bisschen abspalten geht nicht.

Entweder wir spalten uns von unseren Gefühlen ab, oder nicht.

Wenn wir uns also abspalten, dann von allen Gefühlen, das heißt auch von der Freude.

Erst wenn wir lernen, Schritt für Schritt alle Gefühle die ins uns sind zu spüren, kann auch die Freude gespürt werden.

Diese bunten Gesichter lachen zwar, sehen aber dennoch ein bisschen spooky aus.

Freude braucht Raum und Kultivierung

Es ist aus Sicht der Evolution sinnvoller, auf den Säbelzahntiger zu achten statt auf die schönen Blumen am Wegesrand.

Unser Gehirn ist immer noch darauf ausgerichtet.

Das heißt uns liegt es näher, negative Dinge zu beachten als positive.

Wenn wir diesem genetischen Muster folgen, verpassen wir allerdings etwas in unserem Leben, nämlich uns an kleinen Dingen zu erfreuen.

Freude braucht Raum und muss kultiviert werden.

Sie braucht daher eine gewisse Langsamkeit und Achtsamkeit.

Allerdings verpassen wir in unserer Leistungsgesellschaft so manchen freudvollen Moment, weil wir zu gehetzt sind oder zu reizüberflutet oder zu sehr nach außen gerichtet sind.

Das alles hindert die Freude.

Freude kann das Nervensystem überfordern

Die Logik würde sagen: Freude ist ist toll und damit einfach zu spüren.

Aber so einfach ist das leider nicht.

Viele erlebten in ihrer Kindheit oder auch später zahlreiche unschöne Dinge.

Ein solches Entwicklungstrauma wirkt sich auf unser Nervensystem aus.

Obwohl Freude grundsätzlich etwas Schönes ist, ist sie doch auch eine Emotion, die eine Übererregung auslösen und somit das Nervensystem an seine Grenzen bringen kann (Siehe Window of Tolerance)

Dies ist der Grund, wieso viele Menschen mit Essstörung nicht nur essen, wenn es ihnen schlecht geht, sondern auch wenn sie sich glücklich fühlen: Sie haben (noch) nicht gelernt, überbordernde Emotionen zu regulieren, egal ob es angenehme oder unangenehme sind.

Freude kann Dissoziation auslösen

Mein Lebensthema ist die Dissoziation.

Starke Gefühle können mich in die Dissoziation führen, also in das nicht spüren.

Das fühlt sich dann so an, als ob ich hinter einer Wand säße. Manchmal versteinert dann mein Gesicht, manchmal mein ganzer Körper.

Dissoziation ist eine Trauma Folge.

Meine Dissoziation lernte ich kennen in Zusammenhang mit psychischen Belastungen. Ich lernte damit umzugehen und den Moment des Austritts aus meinem Körper zu bemerken. Schließlich konnte ich mich dazu entscheiden, in meinem Körper zu bleiben.

Ich dachte, dass ich damit das Thema Dissoziation erledigt hätte, doch dem war nicht so:

Dass ich auch in schönen, berührenden Momenten dissoziieren kann, entdeckte ich vor nicht sehr langer Zeit.

Denn es ist das Wesen von Dissoziation, dass wir sie nicht spüren oder keinen Zugang zu ihr haben, weil es ja ein Aussteigen aus dem Körper, ein abgekoppelt sein, bedeutet.

Um eine Dissoziation zu entdecken braucht es daher einen Spiegel in Form eines anderen Menschen, der dafür ausgebildet und erfahren genug ist, um unsere Dissoziation zu erkennen und zu begleiten.

Clown steht für Freude, der weiße Clown aber auch für die Traurigkeit.

Freude kann negative Gefühle hervorrufen

Wenn man seine eigene Freude nicht regulieren kann, kann auch die Freude eines anderen Menschen überfordern und heftige Reaktionen in uns hervorrufen.

Neben der Überforderung können Gefühle von Neid, Scham oder Peinlichkeit ausgelöst werden.

Ein Beispiel:

Ein Kind hüpft vor Freude herum, weil es ein tolles Geschenk erhielt und ruft mehrmals: „Das ist sooooo toll! Das ist sooooo toll!“. Die Person, die das Geschenk machte, freut sich anfangs, dass das Geschenk gut ankam, ist dann allerdings rasch überfordert. Sie reagiert mit einem entsprechenden Blick. Als der nicht fruchtet, kommt die verurteilende Mahnung: „Jetzt reicht es aber auch mal wieder. Beruhige dich.“

Das Kind erhält die Botschaft: „Wenn du Freude zeigst, geht das nicht gut für dich aus.“ Kommt das wiederholt vor, kann sich das langfristig auf die Möglichkeit Freude zu empfinden auswirken.

Wichtig zu wissen ist: Das alles läuft unbewusst ab. Denn auf der bewussten Ebene wünschen wir uns und anderen natürlich viele freudige Momente.

Die Freude hat viele Seiten.

Lachen kann verboten sein

Manchmal passiert es, dass ein Kind aufgrund einer sehr schweren emotionalen Situation lacht statt weint.

Das passiert vor allem dann, wenn das Kind mit seinen Emotionen allein gelassen wird, also keine Co-Regulation stattfindet. Ein Beispiel dafür ist das Begräbnis eines geliebten Menschen. Natürlich ist es auf einem Begräbnis nicht angebracht zu lachen. Doch das kindliche Gehirn kann noch nicht differenzieren. Wenn es hört: „Hör auf zu lachen“ kann sich dieser Satz aufgund des Schocks, den das Begräbnis bereits mit sich bringt, tief einbrennen.

„Hör auf zu lachen“ kann auf diese Art zu einem unbewussten Glaubenssatz werden.

Meine neue Herausforderung war es also zu lernen, in meinem Körper zu bleiben, wenn es sich gut anfühlt.

Der lachende Clown.

Innere Glaubenssätze können die Freude verbieten

Manchmal hindern uns innere Glaubenssätze daran, uns selbst Freude zuzugestehen.

Ich zum Beispiel trug lange Zeit den Glaubenssatz „Ich bin eine Last“ in mir.

Wenn ich tief in meinem Inneren davon überzeugt bin eine Last zu sein oder nicht Willkommen zu sein, kann damit auch ein anderes Denken verbunden sein, nämlich: Ich habe es nicht verdient, Freude zu empfinden.

Wenn ich das tief in meinem Inneren glaube, dann wende ich mich weniger der Freude zu.

Das sind unbewusste Prozesse, denn der Kopf wünscht sich Freude, aber das Gefühl kann sie nicht annehmen.

Ein anderer Glaubenssatz, der mir oft begegnet ist: „Die nächste Katastrophe kommt bestimmt. Wenn ich die Freude zulasse, gewöhne ich mich zu sehr an das Schöne und kann mit der Krise nicht mehr umgehen.“

Ich sehe das mittlerweile umgekehrt: Freude ist eine Ressource, eine Kraft die uns hilft mit den Katastrophen des Lebens umzugehen.

Doch wenn ich im inneren überzeugt bin, das Freude gefährlich ist, wird es schwer werden, sie zuzulassen.

Der Weg zur Freude

Wie kam ich nun zur Freude zurück?

Ich werde dir hier im Blog nach und nach jene Übungen vorstellen, die auf meinem Freude-Weg am wichtigsten waren.

Wir werden beispielsweise gemeinsam überlegen, ob es Muster gibt, die unsere Freude verhindern. Oder wir werden üben, freudvolle Momente zu zelebrieren.

Außerdem gibt es noch mehr Impulse für dich. Beispielsweise werden wir uns speziellen Formen der Freude zuwenden, wie z.B. der Schadenfreude oder dem Sarkasmus.

Freude-Übungen und noch mehr Impulse für dich

Über das Thema Freude gibt es viel zu sagen! Daher gibt es noch weitere Blog-Artikel zu diesem Thema:

(Teil 1: Freude spüren: Wieso das schwieriger ist, als man denkt)

Teil 2: Wie wir im Alltag unsere Freude verhindern

Teil 3: Freude spüren – Die Recherche

Teil 4: Übergangsrituale für den Alltag

Teil 5: Das Freude Etikett

Oft braucht es professionelle Begleitung

Allerdings möchte ich dir nicht verheimlichen, dass es für mich neben diesen Übungen auch notwendig war, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Es gab zahlreiche alte Erinnerungen, alte Glaubenssätze und damit verbundene Muskelanspannungen, die ich erst nach und nach gehen lassen musste, bevor mein Zwerchfell wieder fähig war vor Freude zu hüpfen. Das ging nicht über Nacht, sondern ich durchlief dafür viele Sitzungen der Rosen-Methode (in meiner Praxis in Wien) und der EKT-Methode (online oder in meiner Praxis)

Heute kann ich sagen: Der Aufwand war es wert 🙂