Eine Fehlgeburt ist ein unendlich trauriges Ereignis und die Verarbeitung dieser Trauer darf und soll Zeit brauchen.
Wir müssen nun nichts schön reden, nicht auf „stark“ tun, wir müssen uns nicht zwingen, sofort positiv in die Zukunft zu blicken.
Wir dürfen alle Termine absagen, dürfen im Bett liegen bleiben, dürfen den Verlust unseres Kindes beweinen, dürfen hadern, dürfen verzweifeln, dürfen uns mit alldem ausgewählten Menschen zumuten.
Trauer und Lichtmomente
Trotzdem gibt genau in unseren tiefsten Stunden auch schöne Momente, die wir unter „normalen“ Umständen so nicht erleben hätten. Wir erfahren Liebe und Unterstützung von Freunden, Familie, manchmal sogar von fremdem Menschen und erkennen:
Das Wichtigste im Leben ist die Liebe.
Alle kleinen Alltagssorgen verlieren ihre Wichtigkeit und wir bekommen einen Blick für das Wesentliche. Wir werden sensibler für die Nöte anderer Menschen, können besser verstehen und einfühlen. Durch den bewussten Umgang mit unserer Trauer gewinnen wir an Stärke, die uns unser Leben lang begleiten wird.
In der Trauer Phase kann es heilsam sein, diese Lichtmomente bewusst wahrzunehmen, denn sie geben und Kraft und helfen uns durch die Trauer. Wir dürfen bewusst sehen, was wir verloren haben und parallel dazu dürfen wir bewusst sehen, was wir bekommen. Hier gibt es kein entweder – oder. Es ist beides da.
Wir dürfen uns – aber nur wenn uns danach ist – Auszeit von der Trauer nehmen und uns ganz bewusst ablenken, mit einem seichten Kinofilm, mit einem Spaziergang, mit Alltag wie z.B. einfacher Hausarbeit. Vor allem dürfen wir uns selbst umsorgen und uns von anderen umsorgen lassen, wir dürfen uns hegen und pflegen, nur die besten Dinge essen und unsere liebste und bequemste Kleidung tragen. Wir dürfen gut zu uns sein.
Die Trauer braucht Selbstfürsorge
Die Trauer braucht Selbstfürsorge.
So kann die Zeit der Trauer eine Zeit der Selbstliebe werden, in der wir uns selbst am nächsten stehen und unsere ganze Liebe und Unterstützung brauchen.
Unser selbstkritisches Ich, das bildlich gesprochen mit der Peitsche neben uns steht und uns antreibt, darf eine ausgiebige Pause machen.
Was wir nun brauchen ist sanfte, liebevolle und nährende Zuwendung. Die Trauer möchte Raum, Zeit und Liebe.
Vielleicht gönnen wir uns zusätzlich professionelle Unterstützung, damit wir die Trauer nicht alleine stemmen müssen. Hilfe zu holen ist keine Schwäche, im Gegenteil, es ist eine Stärke zu wissen, was man braucht und wo man es bekommt.
Spirituellen bzw. gläubigen Menschen hilft der Gedanke: Seelen bleiben solange auf der Erde, bis ihr Aufgabe erfüllt ist. Wer weiß, welches die Aufgabe dieses Seelchens war, das nur so kurze Zeit hier war?
Manchmal können wir Menschen einen gewissen Sinn hinter tragischen Ereignissen erkennen, meistens jedoch erst viel später. Hierzu gibt es eine sehr schöne Geschichte vom Glück im Unglück.
Es kann helfen zu überlegen, ob es bei vergangene traumatische Ereignissen vielleicht doch irgendetwas gibt, das wir daraus gewonnen haben. Vielleicht wurden wir dadurch erfahrener? Reifer? Falls dies in der Vergangenheit so war, wird es in der Zukunft auch so sein.
Gut wäre eine Form von Abschiedsritual vom Baby, wenn die Zeit dafür reif ist. Vielleicht möchten Sie einen Brief schreiben, einen Stein vergraben, einen Luftballon fliegen lassen? Vielleicht alleine, vielleicht gemeinsam mit Ihrem Partner, je nachdem, wie es für Sie beide passt.
All jene Frauen, die eine Fehlgeburt zu betrauern haben, widme ich das Lied von Eric Clapton – Tears in Heaven: (es folgt der Link zu YouTube)
Konflikte mit dem Partner
Ideal wäre es, wenn uns der Partner in dieser Phase stützt, genauso wie wir es brauchen.
Doch oft könnten diese Erwartungen vom Partner nicht erfüllt werden, was großes Konfliktpotential in sich trägt.
Es kann sein, dass der Partner mit der Situation schlichtweg überfordert ist:
Er sieht seine Frau leiden, hatte aber vielleicht noch keinen Bezug zum Kind. Schließlich war noch nichts zu sehen und der Mann spürt die weiblichen Hormone naturgemäß nicht. Dies ist der Grund, wieso Männer oft viel schneller über den Verlust hinwegkommen als die Frau.
Wichtig hier ist Kommunikation: Ich kann Ihnen nur raten, Ihrem Mann Ihre Gefühle zu erklären und Ihre Wünsche an ihn zu artikulieren. So haben Sie die Möglichkeit, gemeinsam zu wachsen und füreinander da zu sein.
Angst vor der nächsten Fehlgeburt
Dann wäre noch das Thema: Wir soll ich nur mit der Angst vor einer Fehlgeburt, wenn ich wieder schwanger werde?
Wichtig zu wissen ist: Die Angst ist nicht böse. Sie hat ihre Daseinsberechtigung.
Denn natürlich haben wir Angst, denn natürlich wissen wir, dass es Fehlgeburten gibt und natürlich wünschen wir uns das Baby austragen zu dürfen. Die Angst wird umso größer, je mehr man versucht sie wegzumachen, zu verdrängen. Also schenken wir der Angst Wertschätzung.
In der EKT-Methode sagen wir ihr beispielsweise: „Danke, dass Du da bist, ich weiß, Du willst mich beschützen, damit ich achtsam mit meinem Körper umgehe und mich erinnere das Kind mit ganzem Herzen willkommen zu heißen. Ich nehme dich in Liebe an, meine Angst, denn du bist momentan ein Teil von mir.“
Wir können der Angst das Vertrauen zur Seite stellen, das sagt: „Es ist immer alles gut, so wie es ist“. Und gemeinsam gehen wir dann Schritt für Schritt, Woche für Woche.
Alle Gefühle dürfen sein.
Auch hier brauchen wir nicht auf „positiv Denken“ zu tun, denn selbst wenn wir versuchen die Angst mit positiven Floskeln zu verdrängen, sie steckt in uns. Also ist es besser sie – so wie jeden anderen Anteil in uns auch – anzunehmen.
Freude bewusst zulassen
Besonders wichtig finde ich es, die Freude bewusst wahrzunehmen und zuzulassen. Denn sollte wirklich noch eine Fehlgeburt passieren, ist es diese Freude die uns Kraft gibt, um mit der Trauer umzugehen.
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es die Trauer keineswegs schmälert, wenn wir die Freude sicherheitshalber nicht zulassen.
Im Gegenteil: Wir haben uns um die Freude gebracht und müssen dennoch die Trauer tragen. Ich finde, wir dürfen für unsere Kinder da sein, in Liebe, egal wie lange sie bei uns bleiben.
Bei vielen Frauen ist es so, dass nach einer Fehlgeburt der Kinderwunsch sehr konkret und sehr massiv da ist. Die diffusen Ängste vor dem Muttersein rücken plötzlich in den Hintergrund.
Auch hier gilt: Es kann hilfreich sein, den aufkommenden Zeitdruck und die damit verbundene Angst liebevoll anzuerkennen, parallel wissend, dass wir gewisse Dinge nicht (nur) in unserer Hand haben.
Jetzt ist der Zeitpunkt da, die Partnerschaft liebevoll zu pflegen, sich umeinander zu kümmern, gemeinsam an Stärke zu gewinnen, sodass aus dieser Verbindung irgendwann wieder Leben entstehen kann. Das selbe gilt bei assistierten Befruchtungen.
Brauchen Sie Begleitung?
Manchen Frauen mag vieles von dem, was ich geschrieben habe, zu esoterisch oder zu Schicksalsgläubig klingen – mag sein – aber so entwickelt eben jede ihre eigenen Strategien um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.
Falls Sie mit obigen Gedanken etwas anfangen können und Sie gerade Begleitung nach einer Fehlgeburt brauchen, freue ich mich über eine Terminvereinbarung.
Weitere Infos lesen über meine Begleitung bei Kinderwunsch lesen Sie hier.
Liebe Frau Wollinger, ich hätte das nicht besser in Worte fassen können und Worte sind doch mein Job. Sie haben mich berührt und zum Weinen gebracht. Ich kann nur vollinhaltlich zustimmen! Und ich kann heute sagen: Jede Frau, die eine Fehlgeburt erlebt, gewinnt letztlich an Liebe, Stärke und Mut. Auch wenn man das im Moment des Leides, der Trauer natürlich nicht sehen kann und auch nicht muss. Und es ist eine Chance, den Partner ganz neu zu erleben. Deshalb möchte ich allen Betroffenen auch noch sagen: Schließt Euren Liebsten nicht aus.