„Ich hasse sie, diese quälenden Essanfälle.
Ich kann nichts gegen sie tun, sie überrollen mich unangemeldet mit einer enormen Wucht. Fast die ganze Zeit muss ich an Essen und Abnehmen denken.
Ich halte das nicht mehr aus. Bitte sagen Sie mir, wie ich das loswerden kann. BITTE.“
Ungefähr so hört es sich an, wenn jemand, verzweifelt über sein zwanghaftes Essverhalten, den Ausweg aus dem Teufelskreis sucht.
Einfache Frage – komplexe Antwort
Eigentlich ist die gestellte Frage denkbar einfach: „Wie werde ich mein quälendes Essverhalten los?“.
Erfolgsrezepte zu versprechen wäre unseriös
Wie schön wäre es, wenn ich Ihnen nun ein Erfolgsrezept präsentieren könnte nach dem Motto „Das 10 Schritte Programm aus dem Teufelskreis heraus in 10 Wochen, Rückfälle ausgeschlossen!“
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es unseriös wäre ein solches oder ähnliches Versprechen abzugeben.
Es gibt leider keinen allgemeingültigen Weg
Dies gilt für jegliche Herausforderung im Leben: Den einen Weg, der für alle gültig ist, gibt es nicht. Jede ist unterschiedlich, jede hat ihre ganz eigene Geschichte und ihre ganz persönlichen Vorlieben. Was der Einen hilft, hilft dem Anderen überhaupt nicht und umgekehrt.
Den eigenen Weg finden
Für jede Einzelne gilt es, ihren ganz persönlichen Weg zu finden.
Daher gibt es keine 08/15 Antworten und keine „Geheimrezepte“ – und genau darin liegt die Herausforderung, die es anzunehmen gilt.
Vielleicht steckt eine Essstörung hinter Ihrem Verhalten?
Wenn das Essverhalten bereits quälend und belastend ist, dann könnte eine Essstörung dahinter stecken – und dieses Thema ist komplex.
Die Essanfälle, das ständige Denken an Essen und Abnehmen sind nur das Symptom, quasi die Spitze des Eisberges. Darunter verborgen liegen die Ursachen, die es nach und nach zu entdecken und zu bearbeiten gilt.
Kostenfreier Test
Hier gibt es einen kostenfreien Test, wo Sie Ohne Angabe von Daten herausfinden können, ob vielleicht eine Essstörung hinter Ihrem Verhalten steckt.
Die Dauer des Genesungsprozesses lässt sich nicht voraussagen
Auch die Dauer des Genesungsprozesses lässt sich nicht abschätzen.
Der Weg aus dem Teufelskreis Esssucht ist meist ein längerer Prozess, auf den man sich einstellen sollte.
Als Betroffene hört man das nicht gerne. Eine Essstörung ist so quälend, so beängstigend, dass man meint, sie keine Sekunde mehr länger ertragen zu können.
Die Geschichte meiner Genesung
Manchmal tut es gut, andere Genesungsgeschichten zu lesen um ein Gefühl zu bekommen, was auf dem Weg wichtig sein könnte.
Die Schritte meine Heilung habe ich genau meinem Buch „Essanfälle adé beschrieben. Hier geht´s zu den Rezensionen:
Wesentliche Schritte aus dem Teufelskreis
Wenn ich Ihnen hierfür schon kein „10-Schritte-Erfolgsprogramm“ präsentieren kann, so gibt es doch einige Schritte, die meiner Erfahrung nach auf dem Weg aus der Esssucht eine wichtige Rolle spielen:
Das eigene Essverhalten verstehen lernen
Viele Menschen, die von Esssucht geplagt sind, möchten diese am liebsten so schnell wie möglich los werden. Dies ist verständlich, denn die Esssucht wird als belastend und störend erlebt.
Die Essstörung ist da, weil wir sie brauchen
Trotzdem kann es von Bedeutung sein, die Esssucht genau zu betrachten um zu verstehen, warum sie im eigenen Leben eingezogen ist. Manchmal ist es bereits eine große Hilfe zu erfahren, dass die eigenen Symptome, unter denen man Tag für Tag leidet, auch anderen Frauen sehr gut bekannt sind.
Oft ist es schwierig den Tatsachen ins Auge zu sehen. Es ist nur möglich, einen Weg aus dem Teufelskreis zu finden, wenn Sie wissen, womit genau Sie es zu tun haben.
Selbstrelfexion
Möchten Sie versuchen, ehrliche und möglichst konkrete Antworten auf folgende Fragen zu finden?
- Wie oft am Tag beschäftige ich mich eigentlich mit den Themen Essen/Diät/Gewicht/Abnehmen/Essanfall?
- Welche Bereiche meines Lebens beeinflusst meine Esssucht?
- Gibt es bestimmte Situationen, die einen Essanfall auslösen?
- Was genau würde sich in meinem Leben ändern, wenn ich mein Zielgewicht erreicht hätte?
- Angenommen eine gute Fee würde über Nacht meine Esssucht bzw. meine Essanfälle wegzaubern: Was löst diese Vorstellung in mir aus?
- und die vermutlich schwierigste Frage: Welche Funktionen übernimmt meine Esssucht in meinem Leben? In welchen Situationen greife ich zum Essen, wenn ich nicht hungrig bin?
Noch viel mehr Selbstreflexionsfragen finden Sie in diesem Artikel über intuitives Essen.
Bewusst auf die nächste Diät verzichten
Nun ist es Zeit eine Entscheidung zu treffen:
Entscheiden Sie sich dafür, die tausendste Diät in Ihrem Leben beginnen oder wollen Sie sich auf die Reise begeben und sich den Ursachen Ihres Essverhaltens stellen?
Einen Schritt nach dem anderen gehen
Der Weg aus dem Teufelskreis Esssucht beginnt meist damit, dass man verzweifelt vor einem großen Berg an undefinierbarem Gefühlschaos oder ungelösten Problemen steht.
Unweigerlich tauchen quälende Fragen auf: „Das alles soll ich bewältigen? Wie soll das gehen?“ gepaart mit dem verzweifelten Ausruf: „Das schaffe ich nie!“
Die Essstörung lässt sich nicht von heute auf morgen abstellen
Lassen Sie sich von der Fülle der Informationen und von den Veränderungen, die vielleicht noch vor Ihnen stehen, nicht entmutigen. Sie leiden vermutlich schon jahrelang (wenn nicht Jahrzehnte) an Ihrer Essstörung! Sie lässt sich daher auch nicht von heute auf morgen beseitigen.
Stellen Sie sich Ihre Essstörung als einen Berg von großen Steinen vor: Jeder Stein steht für eine bestimmte Ursache Ihrer Essstörung.
Ziel ist es, diesen Berg so weit als möglich abzutragen, also Ihr Leben zu verbessern. Am liebsten würden Sie nun alle Steine auf einmal nehmen und sie weit von sich werfen. Stimmt´s? Dies ist leider nicht möglich, denn niemand hat die Kraft, einen großen Steinhaufen mit einem Mal abzutragen.
Sie können aber sehr wohl vor den Berg treten, einen einzelnen Stein nehmen und ihn wegtragen. Ein Stein scheint zu Beginn vielleicht wenig. Doch wenn Sie später noch einen Stein nehmen und noch einen und noch einen und immer fort. Der Berg wird sichtlich kleiner, dennoch haben Sie noch genügend Kraft für die darauf folgenden Steine.
Es kann sehr spannend sein, diese „Ursachensteine“ sorgfältig anzusehen, zu untersuchen, zu ergründen und Lösungen zu finden. Es ist wie ein Puzzle des Lebens, Ihres Lebens.
Wo Sie den Weg beginnen ist nicht wesentlich, Hauptsache Sie beginnen ihn
Wichtig ist, dass Sie den ersten Schritt gehen – um bei unserem Bild zu bleiben – den ersten Stein nehmen. Es ist eigentlich gleichgültig, welcher das ist.
Sie surfen gerade im Internet und informieren sich über Esssucht. Das ist ein wichtiger Schritt! Vielleicht finden Sie eine Idee, einen Gedanken, der Sie anspricht. Verfolgen Sie ihn weiter, das ist dann der nächste Schritt. Haben Sie Vertrauen, dass Sie den darauf folgenden Schritt sehen werden, wenn Sie so weit sind.
Der Weg ist eine Langstrecke
Es ist wie bei einer Wanderung. Manchmal sieht man die Wegmarkierung nicht mehr. Man geht ein Stück nach vorne, schaut nach links und nach rechts und siehe da, die Markierung ist wieder sichtbar. Man weiß plötzlich wieder, wie es weiter geht.
Gehen Sie Schritt für Schritt vorwärts. Überfordern Sie sich nicht. Neue Verhaltensmuster und Denkensweisen zu entwickeln, erfordern immer mehr Anstrengung und Mut, als bei den Alten zu bleiben.
Wenn die neuen Muster und Gedanken einmal erworben sind, ersetzen sie ganz automatisch die Alten. Sie werden beständig und Sie möchten sie dann sicher nicht mehr aufgeben wollen.
Pausen sind wichtig
Wie bei einer Wanderung ist es auch am Weg aus der Esssucht notwendig, Pausen einzulegen. Ständig an sich zu arbeiten, sich zu hinterfragen und sich seinen Problemen zu stellen ist mühsam und verlangt einem viel ab.
Gönnen Sie sich ganz bewusst Auszeiten.
Seien Sie sich nicht böse, wenn der nächste Schritt auf sich warten lässt. Seien Sie nicht zu streng mit sich selbst auf Ihrem Weg.
Hilfe annehmen
Vor allem zu Beginn stellt das Internet ein wunderbares Medium dar, um Hilfe zu suchen. Beispielsweise bieten Ihnen online Foren die Möglichkeit, sich anonym mit anderen Betroffenen auszutauschen. Auch aus Büchern sind zahlreiche Ideen zu holen.
Langfristig sollten Sie sich aber überlegen, den Schritt aus der Anonymität zu wagen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist sehr befreiend, endlich über seine Qualen zu sprechen um Verständnis und Mitgefühl zu erfahren.
Professionisten können Ihnen helfen, nicht mehr im Symptom hängen zu bleiben, sondern an den Ursachen Ihrer Esssucht aktiv zu arbeiten.
Haben Sie keine Angst, ausgelacht zu werden. Seriöse Professionisten nehmen Sie ernst, gleichgültig welches Problem Sie beschäftigt.
Psychotherapie
Psychotherapie hilft bei der Bearbeitung von seelischen Problemen. Verlassen Sie sich bei der Suche Ihres Therapeuten auf Ihr Gefühl. Wenn Sie wirklich bereit für Therapie sind, werden Sie den für Sie richtigen Therapeuten finden.
Woran erkennen Sie, dass der Therapeut oder die Therapeutin gut zu Ihnen passt?
Wichtig ist, dass Sie sich gut aufgehoben fühlen und dass Sie im Grunde gerne zur Therapie gehen, obwohl Therapie sehr anstrengend und schmerzhaft sein kann.
Sie sollten das Gefühl haben, alles besprechen zu können und sich auf Ihrem Weg aus der Esssucht unterstützt fühlen.
Wesentlich ist, dass Sie spüren, dass Ihre Therapie Sie weiter bringt. Sollten Sie diesen Eindruck nicht haben, so flüchten Sie nicht gleich, sondern besprechen Sie das mit Ihrer/m Therapeut/in. Vielleicht sind Ihre Erwartungen einfach zu hoch gesteckt.
Körperarbeit
Esssüchtige haben üblicherweise ein gespanntes Verhältnis zu ihrem Körper. Oft ist der Kopf (die Gedanken) übermächtig und der Körper wird kaum wahrgenommen oder gar gehasst. Um ein besseres Körpergefühl zu erlangen und um sich als Ganzes zu begreifen, kann Köperarbeit eine gute Unterstützung sein, wie beispielsweise die Rosen-Methode.
Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gut sein kann, sich selbst zuerst mit Hilfe von Psychotherapie zu stabilisieren, bevor es möglich ist, sich auf Körperarbeit einzulassen.
Bis dahin gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten, mit Ihrem Körper in Kontakt zu kommen. Beispielsweise gibt es CDs mit Körperreisen oder sanfte Bewegungsformen wie QiGong oder Taiji, Yoga. Wichtig ist es auch hier, dass es Ihnen Spaß macht und Sie sich wohl fühlen.
Selbsthilfegruppen, Vorträge, Seminare, Bücher von Ex-Betroffenen
Weitere Möglichkeiten bieten Selbsthilfegruppen, einschlägige Vorträge oder Seminare, in denen Sie auf Gleichgesinnte treffen. Es ist beruhigend zu erfahren, dass Sie nicht die Einzige auf dieser Welt mit diesen quälenden Problemen sind.
Sie fühlen sich dann nicht mehr ganz so abnormal. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, mit Ex-Betroffenen zu sprechen, das macht Mut und gibt neue Hoffnung.
Eine einfache Möglichkeit dafür ist, mein Buch“Essanfälle adé“ käuflich zu erstehen 🙂
Essanfälle möglichst akzeptieren
Die Essanfälle zu akzeptieren ist schwierig. Die Essanfälle sind das, was Sie am meisten hassen. Sie sind das Symptom und sie werden gehen, wenn es an der Zeit ist.
Dies macht den meisten Betroffenen große Angst. „Soll das bedeuten, dass ich diese Essanfälle noch weiter ertragen muss?“
Wenn sich die Qualität der Essanfälle verändert, wird es leichter
Bei dieser Frage kann ich Sie ein wenig beruhigen. Die Essanfälle werden Sie zwar vermutlich noch einige Zeit begleiten, doch nach und nach wird sich ihre Qualität verbessern.
Beispielsweise werden Sie nicht mehr unzählig viele Speisen durcheinander essen, sondern „nur“ noch die dreifache Menge einer Speise. Sie werden nach einem Essanfall nur noch das halbe Chaos in der Küche hinterlassen, da er Sie nicht mehr mit Wucht völlig unerwartet überwältigt. Der Essanfall fühlt sich nicht mehr ganz so eklig an und ist leichter zu ertragen.
Mit Essanfällen rechnen
Am besten rechnen Sie damit, dass Sie wieder einen Essanfall haben werden. Dann überrascht er Sie nicht mehr und Sie müssen nicht das Gefühl haben, versagt zu haben. Aus meiner Erfahrung ist es hilfreich das Ziel „Ich will keine Essanfälle mehr“ zum Beispiel mit dem Ziel „Ich will lernen, meinem Körper und meiner Seele zu geben was sie brauchen“ zu ersetzen.
Wenn ein Essanfall Sie überrollt hat, versuchen Sie möglichst nett zu sich zu sein. Bestrafen Sie sich nicht noch weiter, denn Ihr Essanfall ist sowieso schon ein Aufschrei Ihrer Seele.
Konkrete, kleine Ziele
Aussagen wie „Ich will nie wieder einen Essanfall haben“, „Ab jetzt werde ich immer nein sagen wenn mir etwas nicht passt“ oder „Ab jetzt werde ich mich selbst lieben“ sind sehr hochgesteckte Ziele, die kaum zu erfüllen sind. Wer kann schon immer alles „richtig“ machen.
Kleine Ziele wie: „Wenn ich merke, dass der Essanfall kommt, setze ich mich zunächst eine Minute lang hin“ oder „Wenn mich mein Chef nach Dienstschluss anruft werde ich nicht mehr automatisch abheben“ oder „Ich werde mich einmal täglich für etwas loben, das ich an mir mag.“ sind leichter zu erreichen.
Durch Ihre Wegbegleiter (TherapeutInnen, Literatur….) werden Sie zahlreiche Ideen für solche kleinen Ziele bekommen. Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor. Eins nach dem anderen, ein Schritt nach dem anderen.
Selbstliebe erlernen
Sie haben bestimmt schon den gut gemeinten Ratschlag „Liebe dich selbst“ gehört. Leichter gesagt als getan.
Wie sprechen Sie mit sich selbst?
Selbstliebe kann man lernen, dies benötigt aber Zeit und Geduld. Ein erster Schritt ist z.B. zu beobachten, wie Sie eigentlich mit sich selbst sprechen.
Reden Sie so, wie Sie zu sich selbst reden auch mit anderen? Oder kann es sein, dass Sie sich selbst bei jeder erdenklichen Situation erniedrigen z.B. wenn Sie sich in den Spiegel sehen oder Sie sich strenge Vorwürfe machen wegen eines kleinen Missgeschicks. Versuchen Sie nach und nach netter mit sich zu sprechen, gut zu sich zu sein.
Was bringt Selbstliebe?
Wenn Sie sich selbst akzeptieren und mit sich selbst im Reinen sind, kann dies einiges bewirken.
Hier einige Beispiele aus meiner Erfahrung:
Viele Menschen mit emotionalem Essverhalten sind PerfektionistInnen: Ziel ist die perfekte Figur, die perfekte Ernährung, die perfekte Arbeitsleistung. Der Anspruch perfekt sein zu wollen programmiert das Scheitern geradezu vor.
Wenn Sie sich selbst akzeptieren, verzeihen Sie sich Fehler viel leichter. Sie müssen nicht perfekt sein um sich selbst zu gefallen.
Ein oft wiederkehrendes Thema bei Menschen im Teufelskreis Esssucht ist eine tief sitzende Einsamkeit, unabhängig davon, von wie vielen Leuten sie umgeben sind.
Mit zunehmender Selbstliebe verschwindet dieses Gefühl. Sie sind es sich Wert, Beziehungen bzw. Freundschaften einzugehen, die Ihnen mehr Kraft geben als nehmen.
Viele Betroffene sind extrem sensibel und spüren, was Andere nicht wahrnehmen können (oder wollen). Oft bekommen Sie dann zu hören „das bildest du dir nur ein“.
Bei genug Selbstliebe vertrauen Sie Ihrer Wahrnehmung und gehen sorgsam mit Ihrer Sensibilität um.
Selbstliebe bedeutet gut zu sich zu sein. Es bedeutet, sich selbst kennenzulernen und auf seine Bedürfnisse zu achten. Zu Wissen, was Freude macht und was nicht.
Wenn Sie in der Selbstliebe angekommen sind, können Sie sich akzeptieren, wie Sie sind, samt Ihrer guten und schlechten Eigenschaften. Sie werden Ihrer bewusst – selbstbewusst.
Selbstliebe hat auch einen erstaunlichen Effekt auf Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn Sie nicht ständig damit beschäftigt sind, sich selbst zu hinterfragen, können Sie die anderen sehen wie diese wirklich sind. Wenn Sie sich selbst mögen, fällt es Ihnen leichter Ihrem Partner zu glauben, wenn er Ihnen sagt, dass er Sie liebt wie Sie sind.
Selbstliebe hat nichts zu tun mit Egoismus
Wer gut auf sich selbst schaut, hat viel mehr Kraft um für andere da zu sein.
Selbstsicherheit üben im Alltag
Selbstliebe ist eng mit Selbstsicherheit verknüpft. Nachfolgend einige Anregungen, wie Sie Selbstsicherheit in täglichen, immer wieder kehrenden Situationen üben können:
- Komplimente einfach mit einem „danke“ annehmen. Selbst wenn Ihnen danach ist, diese sofort abzuschwächen.
- Bei anderen Leuten das Schöne und Gute bewusst wahrnehmen. Sie können auch Komplimente machen, falls diese stimmig und angebracht sind.
- Bitten, Kritik und „nein“ direkt aussprechen, ohne eine lange und breite Begründung oder Entschuldigung vorauszustellen oder anzuhängen.
- Ab und zu den Aktionsradius erweitern und öfters Dinge tun, die Sie normalerweise nicht tun z.B. fremde Leute nach der Uhrzeit fragen oder vor anderen genussvoll in einen Schokoriegel beißen oder alleine in ein Kaffeehaus gehen.
Versuchen Sie kleine Übungen dieser Art in Ihrem Alltag einzubauen. So wie vieles im Leben kann auch die Selbstsicherheit durch Übung aktiv erhöht werden.
Der Realität ins Auge sehen
Wie geht es Ihnen mit nachfolgenden Aussagen?
- Bei der Esssucht ist das Essen nur das Symptom, nicht die Ursache.
- Der Weg aus der Esssucht braucht viel Zeit und noch viel mehr Geduld.
- Die Essanfälle werden so lange bleiben, wie Sie diese brauchen.
- Die Esssucht erfüllt einen wichtigen Sinn in Ihrem Leben, oft auch einen Sinn im Leben Ihrer engsten Angehörigen.
- Auch wenn die Esssucht weg ist, wird nicht plötzlich alles rosig sein in Ihrem Leben. Es wird nach wie vor Probleme bzw. schwierige Situationen geben, die es zu lösen gilt. Sie werden sich auch ohne Esssucht dann und wann unwohl in Ihrer Haut fühlen.
Sich selbst nichts vorzumachen ist schwierig. Wir alle neigen dazu Dinge schön zu reden – Partnerschaft – Beziehung zu Freunden – Beziehung zu Angehörigen – Ausbildung – Job – Wohnung. Passt das wirklich alles?
Übrigens: Der Realität ins Auge sehen heißt nicht den Schuldigen zu finden.
Kleine Erfolge schätzen
Schon wieder ein Essanfall, daher voll versagt? Stimmt nicht.
Nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie auf, was sich in den letzten Monaten in Ihrem Leben verändert hat. Tun Sie dies möglichst konkret, denken Sie insbesondere auch an alltägliche Gegebenheiten.
Beispielsweise letzte Woche habe ich es geschafft am Freitag um 17:00 zu gehen, statt noch einen Auftrag meines Chefs zu übernehmen. Letzte Woche, als ich wirklich keine Lust auf Kino hatte, habe ich meine Freundin angerufen und ihr abgesagt.
Nehmen Sie auch kleine Veränderungen wahr, hängen Sie nicht alles auf „Essanfall ja oder nein“ auf. Erinnern Sie sich: der Essanfall ist nur das Symptom.
Neue Gedanken und Interessen finden
„Wenn ich nicht mehr ständig an Essen und Abnehmen denkt… woran soll ich dann eigentlich sonst denken? Wie soll ich dieses Vakuum füllen? Wie stoppe ich die ständig kreisenden Gedanken?“
Je mehr Sie an andere Dinge denken, je mehr andere Dinge an Wichtigkeit gewinnen, desto weniger werden Sie an Essen bzw. Abnehmen denken.
Dies ist ein längerer Prozess.
Die ewig um Essen und Gewicht kreisenden Gedanken verschwinden nicht so einfach.
Es ist darüber hinaus gar nicht so leicht herauszufinden, was einem eigentlich richtig Freude macht.
Hier einige Anregungen für diesen Weg:
- Täglich am Abend in ein Tagebuch schreiben: Was hat mir heute Freude gemacht? Denken Sie hier v.a. an Kleinigkeiten wie z.B. die Blumen im Blumenladen haben gut geduftet, der Buschauffeur hat mich noch einsteigen lassen, meine Freundin hat angerufen, etc. (und wieder fünf Minuten an etwas Anderes gedacht!)
- Sich eine Stunde Massage (z.B. Ayurveda) gönnen und dabei den Körper spüren (und wieder eine Stunde an etwas Anderes gedacht!)
- Lernen mehr im Moment zu sein, z.B. durch Taiji, QiGong, Yoga, MeditationsCDs (und wieder mindestens eine viertel Stunde an etwas Anderes gedacht)
- Fragen Sie Ihre Freunde, Bekannte, Kollegen was diese am liebsten in der Freizeit tun. Vielleicht bekommen Sie so Anregungen.
Seien Sie auch hier geduldig mit sich selbst. Wenn Sie momentan keine Energie haben, in einem Stimmungstief sitzen, dann werden Sie vermutlich nur wenig Kraft haben, zu neuen Ufern aufzubrechen.
Neues auszuprobieren gelingt am besten in Hochphasen. Nutzen Sie diese und machen Sie sich nichts vor, so auf die Art: „Mir geht es jetzt so gut, ich hab´s geschafft, ich brauch das alles nicht mehr!“
Hier können Sie über den langen Weg lesen, den ich bei der Hobby-Findung gegangen bin.
Parabel Hausbau
Ich finde, der Weg aus der Esssucht lässt sich gut mit dem Hausbau vergleichen:
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Sie stehen auf einem Berg, alleine. Plötzlich fängt es zu regnen und zu stürmen an (= die Herausforderungen des Lebens prasseln auf Sie ein, Sie sind verzweifelt, einsam, wissen nicht wohin).
Ihnen wird kalt und Sie brauchen einen Platz, wohin Sie sich flüchten können. Sie brauchen ein (Schutz)Haus (=Selbstbewusstsein und Selbstliebe, sodass Sie sich allen Situationen stellen können ohne die Krücke Esssucht zur Hilfe zu nehmen).
Ein Schutzhaus zu bauen braucht seine Zeit
Ein wirklich solides Haus lässt sich allerdings nicht von heute auf morgen bauen. Man muss zunächst einen Keller ausheben und damit eine gute Basis für das Haus schaffen. (= Herausfinden womit Sie es zu tun haben, was bedeutet es, Esssucht zu haben?).
Ein Haus kann man nicht alleine bauen, man braucht die Hilfe von Professionisten (=Psychotherapie, Körperarbeit, Seminare, Vorträge, …..). Gemeinsam wird ein Ziegel nach dem anderen gesetzt. (= Man kann immer nur einen Schritt nach dem Anderen gehen).
Irgendwann ist dann ein Raum fertig. Sie betreten ihn voller Stolz und freuen sich (= kleine Erfolge schätzen). In diesem Raum genießen Sie schon den ersten Schutz (=In vielen Situationen reagieren Sie bereits adäquat, ohne die Krücke Essanfall).
Neue Fähigkeiten werden erworben
Im Zuge des Hausbaus erwerben Sie viele neue Fähigkeiten, z.B. Sie wissen schon, was Sie machen müssen, wenn wieder einmal mal ein Abfluss nicht richtig dichtet (= z.B. können Sie Ihrem Chef schon sagen, wenn Sie wirklich keine Überstunden machen können).
Zu Beginn war die Werkzeugkiste noch wie ein Buch mit sieben Siegeln für Sie, jetzt haben Sie einige wertvolle Werkzeuge darin liegen, und Sie wissen, wie Sie sie anwenden können (= adäquat auf Situationen reagieren, z.B. welche Worte benutzen Sie, um auf grundlose Anschuldigungen zu antworten?)
Tja und irgendwann ist das Haus fertig. Ihr Schutzhaus. Sie sind geschützt vor Regen und Wind, Sie sind zu Hause. (Regen und Wind wird es immer geben = ein Leben ohne herausfordernde Situationen gibt es nicht)
Ein Haus braucht immer Pflege
Damit das Haus weiterhin so wohnlich bleibt und Ihnen genug Schutz bietet, müssen Sie drauf achten, dass es regelmäßig renoviert wird (= man lernt nie aus im Leben, denn es kommen immer wieder neue Situationen und Probleme auf einen zu).
Einige Dinge können Sie selbst erledigen, für andere fragen Sie Professionisten. (= auch nach Bewältigung der Esssucht ist man nicht frei von Problemen und kann hin und wieder bei einem Coach oder Therapeuten/in Rat holen.)
Leben heißt Veränderung
Auch ein Leben ohne Essstörung hält einige Herausforderungen für uns bereit. Der große Unterschied: Wir können mit den damit zusammenhängenden Gefühlen umgehen, ohne sie wegzuessen. Wir leben unser Leben, statt es zu verdrängen.
Und das fühlt sich wesentlich besser an. Der Weg aus dem Teufelskreis lohnt sich, definitiv!
Weiterlesen
Buchtipp:
- Meinen Weg aus dem Teufelskreis zwanghaftes Essen beschreibe ich in meinem Buch: Essanfälle adé: Vom emotionalen Essen zum persönlichen Wohlfühlgewicht
Weblinks:
- Selbsttest: Habe ich eine Essstörung?
- Hier erfahren Sie mehr über die Zusammenhänge von Intuitivem Essen und Essstörung
- Österreich: Essstörungshotline
- Deutschland: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Hier erhalten Sie viele Informationen zu Essstörungen
Toller Beitrag !!!!
Ein guter Beitrag und wie wahr.
Jede/r muss ihren Weg finden und das dauert, Rückschläge müssen auch in Kauf genommen werden.
Ebenso wichtig ist: Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst, das vergessen wir zu oft.
Und den Körper annehmen, wie er ist, denn wir haben ihn zu dem gemacht, auch wenn wir es nicht wollten…
Bis jetzt wollte ich nie wirklich wahrhaben, dass ich schon eine Esssucht (zwar eher noch im Anfangsstatium) habe. Durch diesen Artikel musste ich der Wahrheit ins Gesicht schauen. Schon viele von den Symptomen habe ich bereits erkannt, doch ich schob es nur auf meine momentane Phase und dachte, es würde von selbst wieder aufhören. Doch ohne Hilfe werde ich es wohl nicht schaffen. Der Artikel gibt mir Mut und ich möchte es schaffen! Vielen Dank nochmals!
Der Beitrag ist der Hammer. Ich entdecke mich wieder. Es gibt unheimlich viel Mut. Ich hab auch immer so gedacht: Ab morgen keine Anfälle mehr. Jahrelang war ich der Meinung, nur die richtige Diät zu finden, dann würde sich mein Problem lösen. Oh, wie war ich auf dem Holzweg. Wie sehr wollte auch ich einen perfekten Körper haben. Wenn ich mich so in der Bahn umschaue, gibt es eigentlich keinen mit perfekten Körper. Warum will ich also einen perfekten Körper haben? Woher kommt der so hohe Anspruch an mich selbst? Auch ich bin Perfektionistin und hochgradig sensibel. Ein langer Weg liegt vor mir, ich bin bereit, ihn zu gehen. MIch endlich selbst kennenzulernen – ohne Diät!!!! Danke, Olivia, für diesen wunderbaren Beitrag. 🙂
dieses lied verleitet meiner meinung nach jeden, der diesen Artikel gelesen hat, noch mal stärker dazu nachzudenken, ob er denn eine sucht hat, wie stark sie ausgeprägt ist oder wie er jetzt genau vorgehen will: http://www.youtube.com/watch?v=g-TQB1dd8uY&feature=autoplay&list=PLA0C7F45C2C592A88&playnext=5
Ich von auf den Artikel gestossen, weil ich gerade wieder total deprimiert bin. Mal wieder ein Essanfall.
Er macht Mut, das ich nicht allein bin und gut zu mir sein muss! Ich gehe den Weg und bin gespannt, was ich daraus lernen werde!