Wieso hatte ich schon wieder einen Essanfall?

Manchmal, wenn ein Essanfall passiert ist, zermartern wir uns den Kopf.

Als geübter Mensch mit Essstörung wissen wir: Jeder Essanfall ist ein Alarmsignal für etwas, das in unserem Leben nicht passt. Also überlegen wir:

Passt etwas in der Arbeit nicht? In der Beziehung? Sonst wo? Wir überlegen und überlegen und kommen doch auf keinen grünen Zweig.

Vielleicht war es einfach nur Überstimmulation

Manchmal ist gar nichts offensichtlich Schlimmes oder Großartiges passiert. Es kann schlicht und einfach sein, dass eine sogenannte Überstimmulierung stattgefunden hat. Also eine Überreizung der Sinne, die insbesondere hochsensible Personen (= HSP) berührt. Was bedeutet das?

Überstimmulation

 

Zu viele Sinneseindrücke auf einmal

Es passieren an einem Tag zu viele Sinneseindrücke, die nicht mehr verarbeitet werden können. Verwirrend ist, dass dies nicht notwendigerweise unangenehme Reize sein müssen.

Es kann auch eine Anhäufung von angenehmen Dingen sein, die in Summe aber trotzdem zu viel sind. Also zu viel des Guten, wie z.B. zuerst Einkaufen, dann Besuch eines Weihnachtsmarktes mit Freunden, dann noch Kino.

Resultat ist eine Gefühl im Körper, das sich wie Unrast, Hibbeligkeit, Aufgedrehtheit anspürt. Wie wenn die Haut bebt. Da hilft essen um zu sedieren, also runter zu kommen. Essen entspannt.

Was hilft?

Erstmal erkennen:

Wie spürt sich Überstimmulation in mir an? In welchen Situationen treten diese Gefühle auf? Beispiele: Laute Musik, Menschenansammlung, Kunstlicht, schlechte Luft, viele unausgesprochene Dinge zwischen Menschen, starke visuelle Eindrücke.

Werten Sie die Situation nicht, beobachten Sie einfach nur Ihre Reaktion.

Dies ist besonders schwierig, denn wir neigen dazu, unsere Wahrnehmung herunterzuspielen. So auf die Art: „Meine Güte! Ich war doch NUR auf einen Weihnachtsmarkt und NUR Einkaufen, was ist denn nun schon wieder mit mir los? Stell dich nicht so an.“

Hier geht es um Anerkennen was wir sind. Gerade bei mangelndem Selbstvertrauen keine leichte Sache!

Vorbeugende Achtsamkeit

Nur wenn wir dieses Muster in uns genau kennen, können wir es frühzeitig erspüren und uns einbremsen.

Also im Beispiel oben nach dem Weihnachtsmarkt z.B. statt ins Kino (= sehr viele Sinneseindrücke v.a. bei 3D Filmen) in ein ruhiges Cafe gehen.

Das erfordert Mut, weil man vielleicht Pläne ändern muss. Es erfordert, dass wir lernen zu unseren Bedürfnissen zu stehen, ohne gleich ein Drama daraus zu machen.

Aber mit etwas Übung gelingt das.

Zumal unser Gegenüber manchmal auch ganz froh ist über Ruhe, öfters als wir annehmen. Langfristig kann dies auch bedeutet, sein Umfeld so zu verändern, dass unsere Sensibilität sein darf.

Wenn die Überstimmulation bereits da ist

Wenn es schon zu spät ist, also wir im Zustand der Überstimmulation sind, dann hilft nur:

Aushalten der Gefühle.

Sich sagen:

„Es ist nichts schlimmes passiert, ich bin nur völlig überreizt. Mehr nicht. Lasst mich alle mal in Ruhe, ja ich darf mich jetzt zurückziehen. Auch nichts von mir selbst verlangen. Ich brauche nicht den Umweg über den Essanfall zu gehen.“

Auch hier geht es wieder um anerkennen was ist und sich sein lassen. Sich nicht noch große Dinge wie Wohnungsputz vornehmen. Sondern einfach nur Pause oder falls es wohler tut wie das Rumpelstilzchen herumhüpfen oder herumgranteln. Solange bis die Gefühlswelle wieder abgeebbt ist.

Darum geht es beim Ausstieg aus der Essstörung: Schrittweise lernen auf Situationen adäquat zu reagieren statt zu fressen. Frustation aushalten. Sich sein lassen statt zu versuchen Gefühle mit Essanfällen vor sich selbst zu verheimlichen. Dies alles braucht Zeit und Übung, doch es ist möglich.

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