Letztens erreichte mich folgende Anfrage. Mit Erlaubnis der Verfasserin darf ich die Mail online stellen, habe Namen und Alter in Absprache weggelassen. Es braucht Mut seine Geschichte zu teilen, doch ich finde es wichtig, damit auch andere Frauen merken: Du bist nicht alleine, es ist nicht toll aber wir schaffen das und wachsen daran.

Hallo liebes aivilo-Team,
ich bin eine gerade sehr verzweifelte Mutter einer wahrscheinlich essgestörten Tochter (AHS Oberstufe) und durch Stöbern auf ihre Seite gestoßen. Und zwar hat meine Tochter weder Bulimie noch Magersucht sondern eher so ein ständiges Denken an Essen und Gewicht und sie isst halt auch dadurch wirklich oft und dann aber zusätzlich auch noch heimlich und so hat sie mittlerweile 20 kg zugenommen (in 2 Jahren). Sie hatte auch bei der letzten Blutabnahme weit erhöhte Cholesterinwerte (das gute und auch das schlechte) und erhöhte Trycliceride.

Erst im letzten halben Jahr ist mir und auch ihr aufgefallen, dass das krankhafte Formen annimmt. Sie ist sehr unglücklich mit sich und hasst sich. Und nun hat sie sich zu einer Psychotherapie überwunden, wir hatten gestern das Erstgespräch, dass uns beide sehr aufgewühlt hat. Die Therapeutin hat gleich mal losgelegt: Na du bist doch gar nicht dick und dass sie jetzt 2 Monate lang vollkommen auf alle Nahrungsmittel verzichten muss, die zugesetzte Fructose enthält. (Fructose macht süchtig sagte sie) Und das ist allerdings sehr oft wo versteckt. Obst darf sie essen. Als wir sagten, dass das wohl sehr schwierig werden würde, weil sie halt ständig essen möchte und Hunger hat bzw. nicht satt wird und auch Essanfälle hat und da halt auf Süßes und Fettes zurückgreift meinte sie: „Ja einen Beitrag musst du halt schon leisten.“
Was mich noch verblüffte war, als ich sie gefragt hab, ob sie lt. unseren Erzählungen denkt, dass meine Tochter eine Essstörung hat, hat sie gemeint: Nein, sie ist ja nicht magersüchtig und übergibt sich auch nicht. Darauf meinte ich: Ja aber könnte das nicht sowas wie Binge Eating sein. Dann sagte die doch glatt: Was ist den das?
Meine Tochter möchte trotzdem hingehen, ich habe allerdings kein gutes Gefühl bei dieser Therapeutin.
Können Sie mir bitte laut ihren Erfahrungen sagen, ob das echt eine korrekte Vorgehensweise einer Therapeutin ist?
Meine Tochter ist heute soo schlecht drauf, hat auch schon ein Eis gegessen und jetzt am Abend wollte sie ein Fruchtjoghurt und hat dann aber an die Fructose gedacht und den Kühlschrank wütend zugeschmissen und ist in ihr Zimmer gestürmt. Es macht ihr jetzt schon zu schaffen, bevor die Therapie überhaupt los geht. Für eine kurze Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.

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Liebe Frau A.,
zunächst ist mal zu sagen: uff. Schwere Situation in der Sie da sind!
Ich finde es sehr sehr gut und sehr sehr wichtig, dass Sie sich therapeutische Hilfe nehmen und toll, dass Ihre Tochter bereit ist, diese in Anspruch zu nehmen! Da ist schon eines der schwierigsten Dinge erledigt!!
Zu der Vorgehensweise der Therapeutin ist es schwer etwas zu sagen. Es gibt so viele Wege!! Ich persönlich finde es sehr schwierig Lebensmittel wegzulassen, wenn man danach süchtig ist. Vom gesundheitlichen Standpunkt macht es vermutlich durchaus Sinn. Doch die Frage ist: Was ist durchführbar?
Also wie gesagt, es gibt viele Wege, da maße ich mir nicht an zu urteilen. Wichtig ist es bei der Therapie Wahl auf Ihr Gefühl zu achten! Und auch die Frage: Ist es als Familientherapie angelegt? Also gehen sie gemeinsam? Oder ist es eine Therapie nur für Ihre Tochter? Also es geht um die Frage wessen Gefühl hier Ausschlag gibt. Und ob Sie das Gefühl haben, dass sich etwas bewegt. Wobei wichtig ist, Erfolge nicht primär am Essverhalten zu messen, siehe www.aivilo.at/2012/05/20/wenn-sich-nichts-tut-am-weg-aus-der-esssucht/

Mein Tipp an Sie ist, sich mit Esssucht zu beschäftigen. Hier ein Buchtipp für Sie: www.aivilo.at/2012/08/07/iss-doch-endlich-mal-normal/

Weiters ganz gut ist, wenn Sie sich selbst auch Therapie gönnen oder ein Beratungsgespräch bei einer Therapeutin, die sich mit Esssucht auskennt, in Wien z.B. bei www.nowak-schuh.at. Es ist sehr wichtig, dass Sie als Mutter auf Ihre Bedürfnisse achten und nicht nur die Probleme der Tochter in den Mittelpunkt stellen.

Ich möchte Sie bestärken, weiterhin nach Hilfe zu suchen, die Sie für passend empfinden! Weiters möchte ich Sie bestärken, diese aufreibende Situation auch als Chance zu sehen. Es ist eine Chance auf Dinge aufmerksam zu werden, die vielleicht sonst unterm Teppich wären. Klingt vielleicht seltsam dankbar zu sein für Krise, aber letztendlich ist es ein Alarmsignal für was auch immer. Und letztendlich weist uns ein Alarm immer auf etwas wichtiges hin. Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben! Herzliche Grüße, Olivia Wollinger

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Liebe Frau Wollinger,
vielen Dank, dass sie sich auch in der Freizeit die Zeit nehmen zu helfen. Man merkt echt an ihrer Schreibweise das sie selber betroffen waren. Und es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass es auch Heilung gibt. Ich habe irgendwo mal gelesen, eine Esssucht ist sehr schwer zu heilen. Das macht mir unheimlich Angst. Meine Tochter möchte nicht zu dieser ersten Therapeutin gehen. Nicht nur ich auch sie hat kein gutes Gefühl bei ihr, mit ihren vielen Vorgaben. Ich denken zuerst mal geht meine Tochter alleine zu einer Therapeutin, und wenn nötig dann geh ich auch gerne einmal mit. Meine Tochter hat auch Angst davor, wie sie sagt, dass Essen zu verlieren. Sie kann sich das gar nicht vorstellen. Sie sagt, ihr Denken dreht sich derzeit fast nur ums Essen und gleichzeitig ist sie aber so unglücklich über die Gewichtszunahme. Ich habe ihre Homepage förmlich aufgesaugt und habe mir aufgrund ihrer Empfehlung auf ihrer Seite auch schon das Buch: „Iss doch endlich normal“ gekauft. Bin gerade beim Lesen. Jaa ich habe Fehler gemacht, ich habe die Krankheit erst total spät erkannt, und hab nach anderen, körperlichen Ursachen gesucht und hab sie zu Ärzten und alternativen Mediziner, Kienesiologen geschleppt um herauszufinden, warum sie plötzlich so zunimmt. Hätte ich das früher erkannt, hätte ich sie dadurch wohl nicht ständig daran erinnert. Ich wollte nur das sie endlich wieder glücklich ist. Aber es wird schon alles gut werden. Wir schaffen das schon gemeinsam.

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Liebe Frau A.,
danke für Ihre Wertschätzenden Worte meine Arbeit betreffend. Bzgl. Selbstvorwürfe ist zu sagen: es ist unfair uns vorzuwerfen früher nicht über die Erfahrung von heute zu verfügen. Nun wissen Sie es und nun können Sie sich auf den Weg machen, mit dem jetzigen Wissen. Esssucht ist eine Chance, denn z.B. ich wäre nicht wo ich jetzt bin, hätte ich mich da nicht durchwuschteln müssen. Die Esssucht geht sowieso erst dann, wenn man soweit ist, d.h. da braucht man gar keine Angst davor haben. Denn wenn es soweit ist, dass sie gehen kann, erst dann geht sie. Es ist also kein „ich lasse jetzt mal heute meine Esssucht los“, es ist ein Prozess. Es geht darum Alternatives Verhalten zu finden. Da gibt es diese Geschichte vom Balken im Buch „Die Frau die im Mondlicht aß“, die das schön verbildlicht.

Wichtig ist nun nicht nur das Thema Ihrer Tochter in den Mittelpunkt zu stellen. Sie als Frau existieren auch noch und auch Sie haben Bedürfnisse und auch Sie werden daran wachsen. Wünsche Ihnen alles Gute! Herzliche Grüße aus Wien, Olivia Wollinger

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Liebe Frau Wollinger,
Vielen Dank für ihre Hilfestellung! Ich werde mir ihre Worte zu Herzen nehmen! Der ersten Therapeutin haben wir nun abgesagt. Wir werden jetzt einfach weitere Erstgespräche vereinbaren, ich hoffe ja doch, dass es auch bei uns qualifizierte Fachkräfte gibt und wir eine geeignete Therapeutin finden. Ich habe meiner Tochter eine Selbstliebe Mediations-CD gekauft und ein bisschen versucht sie sich in Yoga. Sie ist also schon bereit für sich etwas zu tun. Was würde ihr vielleicht noch gut tun?

Liebe Grüße

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Liebe Frau A.,
toll dass Ihre Tochter kooperativ ist, dass ist wunderbar!!! Ich hab das auch schon ganz anders erlebt, das kann man also nicht hoch genug schätzen!!
Sie finden bestimmt eine geeignete Begleitung, wenn die Bereitschaft da ist.
Was Ihrer Tochter gut tun ist „einfach“ alles was Freude macht. Das darf sie herausfinden was das ist, das ist die Herausforderung am Weg aus der Esssucht. Herauszufinden: Wer bin ich, was mag ich, was zeichnet mich aus. Eine Selbstliebe CD ist sicher super, am besten hören Sie sich die auch mal selbst an … denn sind wir uns ehrlich, wem kann das nicht nützen :-)))